Irmgard Rauch

Lebensfreude, Kunst und „Color Plays“

Wie viele ihrer Generation war auch Irmgard "Gardl" Rauch ihr Leben lang eine starke Frau hinter einem (auch deshalb) erfolgreichen Mann. Während Fred Rauch bis heute als kreativer Tausendsassa bekannt ist, wurde man der schöpferischen Kraft von Irmgard Rauch-Campmol (1916-2006) lang nicht gerecht. Auch sie war eine vielfach Talentierte, die im künstlerischen Kontext bewusst mit Doppelnamen firmierte, um sich von Fred Rauch abzuheben. Sie wählte dazu den Namen Campmol ihres spanischen Vaters.

Irmgard Rauch-Campmol, 2001.

 

In eigener Sache

Dank für Erinnerungen in Wort & Bild

Elisabeth Leutheusser-von Quistorp, die Freundin und Kunstsammlerin, hat über Jahre etliche Werke von Irmgard Rauch-Campmol erworben. Heute verfügt sie über eine der größten „Color Play“-Sammlungen. Für den vorliegenden Beitrag und die Dokumentation der Werke im Rahmen dieser Website hat Elisabeth Leutheusser-von Quistorp die in ihrem Besitz befindlichen Arbeiten von Irmgard Rauch-Campmol vollständig fotografisch erfassen lassen. Dafür bedanken wir uns sehr.

 

Color Play 1
Irmgard Rauch-Campmol, ca. 1980.

 

Irmgard Rauch war im Atelier ebenso kreativ wie im Alltag

Irmgard Campmol wurde 1916 in der „Goldstadt“ Pforzheim als Tochter eines Spaniers und einer Badenerin geboren. Von (Zu-)Haus aus bekam sie daher zum einen ein große Portion Temperament und Lebensfreude mit, die sich darin äußern sollte, dass Irmgard ihren Ausdruck im Kreativen fand. Ihre frühere Nachbarin und Freundin, Elisabeth Leutheusser-von Quistorp formuliert es so: „In Gardl steckte so viel Kunst, die einfach raus musste.“ Zum anderen war da die Affinität zur Farbe Gold, die sich später dominierend und als Wiedererkennungswert in ihren abstrakten Bildern finden sollte. Sie selbst formulierte es im Vorfeld einer Ausstellung wie folgt: „Das Milieu der Goldstadt Pforzheim blieb nicht ohne Auswirkung auf (meine) kunstgewerbliche Tätigkeit.“

Ohne dass sie (wie beispielsweise Gisela Beck, die starke Frau hinter dem bekannten Künstler Herbert Beck aus Tegernsee) eine Kunstgewerbeschule besucht hätte, war Irmgard Rauch vielfach kreativ: Nach dem Krieg begann sie mit Hinterglasmalerei, sie malte Schützenscheiben und Ikonen. Sie schöpfte Papier und band Bücher, beispielsweise die Kochrezepte ihrer Mutter Elfriede unter dem Titel „Friedas Kochrezepte“. Sie fertigte Schmuckschachteln und band diese mit Leder, selbstgemalten Aquarellen und handgeschöpften Papieren ein. Sie kreierte künstlerische Einladungskarten für private Feste im Hause Rauch und später auch für Ausstellungen. Selbst ihre Ausstellungskataloge sowie die Rahmen und Passepartouts für ihre Bilder fertigte sie in ihrer Werkstatt im Souterrain des Rauch’schen Wohnhauses am Gmunder Ackerberg selbst an. Und auch die Lüftlmalereien auf der Außenwand des Hauses stammen von der Hausherrin.

Farbe und Farben werden mehr und mehr zu Irmgard Rauchs zentralem Thema und stärkstem Ausdrucksmittel. Ihre "Color Plays" entstehen spontan, werden nur selten mit einem Titel versehen und lassen der Phantasie des Betrachters freien Lauf.

Im ersten Stock befand sich das helle Atelier, wo die Autodidaktin malte. Ab 1974 belegte Irmgard Rauch Kurse im Bildungszentrum Stift Geras und der Malakademie Schloss Goldegg bei so renommierten Lehrern wie den Professoren Fritz Itzinger (Maler und Leiter der Malakademie Goldegg), Hans Escher (Grafiker und Illustrator), Hubert Bauer (Restaurator und Vergolder). Seit 1980 beschäftigte sie sich mit abstrakter Malerei und fand zu ihrem Duktus. Dies Arbeiten nannte sie Farbspiele - „Color Plays“. Während ihr Mann neben seinen Karikaturen und Zeichnungen auf seinen Moderations- und Liedtextmanuskripten exakt und nachgerade fotografisch Alltagsgegenstände (ab)zeichnete und beachtete Stillleben vorweisen konnte, brach sich in Irmgards Rauchs Arbeiten eine unkonventionelle, spielerische und von Inspiration getragene Ausdruckskraft Bahn.

Weinflasche und Weihnachtskarte mit Motiven von Irmgard Rauch Campmol

Im sogenannte Abdruckverfahren oder in Klatschtechnik – bei der Farben in Klecksen auf Papier aufgetragen werden, um dann ein weiteres Papier darauf zu pressen und schließlich wieder abzuziehen – entstanden einerseits farbintensive, abstrakte Gemälde, die die Betrachter herausforderten. Andererseits die Negative dazu, die die Künstlerin zuschnitt und als Miniaturen rahmte, sie zu Einladungskarten oder auch Weinetiketten gestaltete.

 

Satte Farben, spannende Oberflächenstrukturen und immer wieder ein warmer Goldton. Es lohnt sich, mit den Werken (hier: Color Play 2) in Resonanz zu gehen.

Die Positive der „Color Plays“ muten wie Silvesterfeuerwerk, Meteoritenschauer, ein Blumenfeld mit blauen Schmetterlingen, Fabelwesen, Flaschengeister, Landschaften oder auch Stillleben an. Stets ein wahrer Farbenrausch und (fast) immer in Kombination mit diesem ganz bestimmten, warmen Goldton, der die Bilder von Irmgard Rauch-Campmol als Kleckse, Tupfer und regelrechte Farbwulste ziert. Spielerisch verlieh sie den Farbflächen durch das Abziehen des „Negativ-Blattes“ Struktur. Gleichzeitig gab sie den Farben auf der Fläche ihrer selbstgeschöpften Papiere den Raum zum Spielen, wie umgekehrt dem Betrachter den Raum zum Wirken-Lassen ihrer Kunst und zum Phantasieren. Denn Irmgard Rauch-Campmols Kunst entsteht final erst im Dialog mit dem Betrachter. Dieser soll sich selbst ein Bild machen und herausfinden, was das Bild ihm sagt, ihm bedeuten kann. Ein Grund, warum die Künstlerin ihren Bildern selten Titel gegeben hat – und wenn, diese nicht kommunizierte.

Bei der Ausstellung am 24. November 1983 in der Galerie Holzinger am Hofgarten - DER Galerie, wenn es um die Naive Kunst, also Arbeiten nicht-akademischer Künstler ging – hatte sie ihre 25 Color Plays Werke nur nummeriert. Flankiert von 150 Bildern rund weiterer 60 Malerinnen und Maler standen sie für 250 bis 700 D-Mark zum Verkauf. Den dazugehörigen Ausstellungskatalog hatte Irmgard Rauch mit Fotografien gestaltet, die Preisliste eigenhändig getippt. Der Ausstellungskatalog selbst kostete 100 D-Mark. Das waren zu Zeiten, als die große Welle der Naiven Kunst bereits am Auslaufen war, ganz beachtliche Preise. Zum Vergleich: Die Werke ihrer Mitaussteller bei Holzinger wurden für pauschal 60 DM verkauft.

Als Laie malte sie wie ein Profi - und saß damit stilistisch zwischen den Stühlen

Irmgard Rauch Campmol beim Malen
Irmgard Rauch war zeitlebens "die Frau von Fred Rauch" - und das von Herzen gern. Ihre eigene schöpferische Kraft wurde dadurch aber vielfach übersehen.

Dass die Arbeiten von Irmgard Rauch-Campmol dennoch nicht die verdiente Beachtung fanden, hatte unterschiedlichste Gründe. Zum einen war Irmgard Campmol- Rauch als Vertreterin der nichtakademischen, naiven Kunst in den 1980-ern einfach zu spät dran. Während frühere Holzinger-Ausstellungen groß in ausnahmslos allen Zeitungen der Landeshauptstadt besprochen wurden, blieb für Irmgard Rauch-Campmol lediglich ein elfzeiliger Veranstaltungshinweis auf die Ausstellung „Vom Hinterglasbild zum Abstrakten“ der „Hobby-Künstlerin“ und „Frau des bekannten und beliebten Buchautors Fred Rauch“. Auch wenn Irmgard Rauch-Campmol von großer schöpferischer Kraft war und vielfältig Talent hatte, so war sie ohne akademisch künstlerische Ausbildung zwangsläufig im 20. Jahrhundert stets die Frau hinter, bestenfalls neben dem erfolgreichen Mann.

Zugleich war die Farbigkeit - pur aus der Tube wie gekauft, was zehn Jahre zuvor, nach Epochen der selbstgemischten und individuellen Farbigkeit noch eine Revolution darstellte – in den 1980-ern nichts Neues mehr. Es barg obendrein die Gefahr, dass sich die einzelnen Werke auf den ersten Blick nicht groß voneinander unterschieden. Es braucht Zeit und Muße, sich das Spiel der Farbigkeit zu erschließen.

Dazu kommt ein Schubladenproblem: Von ihrer Ausbildung her mag Irmgard Rauch-Campmol eine „Naive“ gewesen sein, ihr Stil aber war von ihren akademisch geprägten Mal- und Zeichenlehrern inspiriert. Und so hatten ihre „Color Plays“ nichts gemeinsam mit den Arbeiten anderer nichtakademischer Maler ihrer Zeit, beispielsweise dem gefeierten Max Raffler aus Greifenberg am Ammersee oder auch den naiven Landschaftsmalern aus Osteuropa. Die Unterschiede waren zu deutlich, um noch auf den Ausläufern der „Naiven Welle“ mitsurfen zu können. Als Laie malte sie wie ein Profi und saß damit stilistisch zwischen den Stühlen.

Schließlich beging Irmgard Rauch-Campmol noch einen Kardinalfehler, der schon etlichen Künstlerkarrieren zum Verhängnis wurde und bis heute wird: Die lebendige und großherzige Frau von Fred Rauch verschenkte etliche ihrer Bilder, oft anlässlich von Jubiläen und Feiern an den großen gemeinsamen Freundeskreis. Sehr wenige haben Irmgard Rauch-Campmols „Color Plays“ oder die Arbeiten, die sie nach dem Tod ihres Mannes während der letzten Lebensjahre im Seniorenstift Rupertihof in Rottach-Egern anfertigte, tatsächlich käuflich erworben und über ihren Tod hinaus in Ehren gehalten.

Wenngleich die Stärke der „Farbenspiele“ und damit auch der schöpferischen Kraft ihrer Urheberin in der Eindimensionalität einer Fotografie bei weitem nicht so zur Geltung kommt wie bei den Originalen: Auch Jahrzehnte nach ihrer Entstehung sind es die großen Positive und die Miniatur-Negative wert, mit ihnen in Resonanz zu gehen. Durch die Hand und den Blick von Irmgard Rauch-Campmol lässt sich die eigene schöpferische Kraft spiegeln.

Alexandra Korimorth

 

In eigener Sache

Dank für Erinnerungen in Wort & Bild

Elisabeth Leutheusser-von Quistorp, die Freundin und Kunstsammlerin, hat über Jahre etliche Werke von Irmgard Rauch-Campmol erworben. Heute verfügt sie über eine der größten „Color Play“-Sammlungen. Für den vorliegenden Beitrag und die Dokumentation der Werke im Rahmen dieser Website hat Elisabeth Leutheusser-von Quistorp die in ihrem Besitz befindlichen Arbeiten von Irmgard Rauch-Campmol vollständig fotografisch erfassen lassen. Dafür bedanken wir uns sehr.

 

Color Play 1
Irmgard Rauch-Campmol, ca. 1980.